LESEPROBE: VORWORT
"Traditionelle Management-Denkmuster haben
ausgedient. Erkenntnisse aus den Natur- und Kommunikationswissenschaften
vermitteln ein besseres Verständnis der Wirkungszusammenhänge von
Unternehmen und Behörden jeder Größenordnung.
Laut einer repräsentativen Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft
Gallup mbH in Potsdam sind lediglich 12 Prozent der deutschen Arbeitnehmer
engagiert bei der Arbeit und zufrieden mit ihrem Job. 70% machen nur "Dienst
nach Vorschrift" und 18% haben innerlich gekündigt.
Der jährliche gesamtwirtschaftliche Schaden, der etwa in Form von niedriger
Produktivität oder Fehlzeiten entsteht, wird auf 260 Milliarden Euro
geschätzt. Gallup nennt schlechtes Management als Ursache für diesen Frust.
Zahlreiche mittelständische Unternehmen, Konzerne und Institutionen in
Europa wirken nicht nur blockiert, sie sind es. Firmenchefs mögen viel über
ihre Produkte und Kunden wissen, aber wissen wenig über ihre Mitarbeiter im
eigenen Unternehmen. "Höre dem Kunden gut zu", lautet die Maxime in der
Konsumgüterindustrie, aber viele Chefs hören nicht einmal ihren eigenen
Mitarbeitern zu.
Ein emeritierter Schweizer Ordinarius der Universität St. Gallen spricht gar
von einer "demotivierenden Führungskultur" in Politik und Wirtschaft, bei
der Reden und Handeln frustrierend weit auseinander klaffen. Zusätzlich
werde durch schlecht vor- und nachbereitete Besprechungen Produktivität und
Arbeitsfreude massiv blockiert.
Wo dies der Fall ist, begegnen wir tiefgreifenden Kommunikationsstörungen,
aus denen zahlreiche Zielkonflikte und manifeste Blockaden erwachsen. Denn
nur wer auf Augenhöhe verhandelt, kann am Markt gewinnen. Wenn das nicht
geschieht, führt dies nicht allein zu einem Kommunikations-Gau im
Unternehmen jeder Größenordnung, sondern zu einer Gefährdung des Standorts
Europa schlechthin.
Diese Sorge ist der Anlass zum Schreiben des vorliegenden Buches. Denn die
wichtigsten Werte europäischer und internationaler Unternehmen stellen die
Menschen dar, die in ihnen arbeiten, mit ihrer Produktivität, der Qualität
ihrer Produkte und Dienstleistungen. Das Problembewusstsein ist mancherorts
zwar vorhanden, aber die beherzte Bereitschaft zu Veränderungen bleibt aus.
Eine Folge von Frustration kann "Dienst nach Vorschrift" sein, eine andere
die Flucht.
Die, die gehen, wollen mit einigen europäischen Ländern, ihren Bürokratien
und Bevormundungen, der Angst vor Risiko und Veränderung, dem Misstrauen
gegenüber Innovation aus Neid auf alles, was die vorherrschende Dauerlähmung
stören könnte, nichts mehr zu tun haben.
Anliegen des Buches ist es, den Ursachen dieses kollektiven "Burnout"-Syndroms
mit seinen Blockaden auf den Grund zu gehen. Einerseits ist es ein
Brückenschlag zwischen Organisations- und Politikberatung, andererseits wird
aufgezeigt, wie sich gerade mit Hilfe dieser Störungen neue Handlungsräume
erschließen lassen. Ich fasse sie unter dem Begriff "spACE für action"
zusammen.
Wenn die Erfolgsfaktoren der Zukunft darin bestehen, mehr Raum für
Innovation, Commitment und Unternehmergeist auf allen Ebenen des
Unternehmens zu schaffen, dann brauchen wir eine Führung, die
selbstverantwortliche Menschen fördert und fordert.
SpACE for action - das sei vorab erwähnt - ist eine umsetzungsorientierte
Beratungs- und Consultingmethode, die neue Handlungsräume dadurch eröffnet,
dass sie pragmatisch und ergebnis-orientiert das Wahrnehmungsvermögen (A
steht für den englischen Begriff: awareness) aller Beteiligten für den
Kontext, in dem unternehmerisches Handeln stattfindet, erweitert und
schärft.
Der rote Faden, der meinen methodischen Ansatz auszeichnet, ist seine
Fähigkeit, in Unternehmen jeder Größenordnung und auch in der Politik dort
Brücken zu bauen und Kontakte (C für contact) zu ermöglichen, wo bislang
Gräben, Kommunikationsstörungen, Schmalspurdenken, Sprachspiele und
verlogene Maskeraden dominierten.
Punktgenaue Interventionen mit dieser Methode erzeugen die Energie (E für
energy), die in Unternehmen dringend benötigt wird, um deren operative
Leistungsfähigkeit zu optimieren, damit Entscheidungsabläufe beschleunigt,
hierarchieübergreifende Kommunikation, Kooperation und Sozialkompetenz
verbessert, Durchlaufzeiten und Kosten bei Arbeit, Material, Verwaltung,
Ausrüstung, Wartung verringert und die Anpassungsfähigkeit an
Kundenbedürfnisse und Produktionstechnologien verbessert werden können.
Wenn es sich bei Krankheiten oftmals um stornierte Gefühle handelt, so sind
blockierte Unternehmen Ausdruck blockierter Humanressourcen. Wenn
Mitarbeiter nur noch als Kostenfaktoren und nicht mehr als Vermögenswerte
mit ihren Produktivitätspotenzialen behandelt werden, ist es kein Wunder,
wenn diese in Selbstaufgabe, Resignation und Krankheit flüchten.
Wir haben eine tiefe strukturelle Krise in der Wirtschaft, Politik und
Gesellschaft, die zeigt, was passiert, wenn Vertrauen und Glaubwürdigkeit
beschädigt worden sind. Menschen werden antriebs- und einfallslos, denken
und konsumieren weniger.
Vertrauen gibt es nicht zum Nulltarif. Man muss dafür etwas tun, zum
Beispiel Fragen beantworten, sich mit unterschiedlichen und unbequemen
Sichtweisen auseinandersetzen und den Kontakt mit Menschen herstellen
können. Diese Reibung ist notwendig, damit europäische Unternehmen und
Institutionen nicht zu sklerotisierten Organisationsattrappen verkommen, wie
wir sie aus dem Sozialismus oder in Form fragwürdiger Verflechtungen von
Industrie und Politik aus dem Film "Fahrenheit 9/11" von Michael Moore
kennen.
Ohne differenziertes Wahrnehmungs-vermögen, Glaubwürdigkeit und Kontakt mit
den Menschen läuft langfristig nichts. In diesem Kontext spielen neben den
Finanzdaten der Unternehmen der Verstand und das Herz, das Denken und
Empfinden der Menschen in all seinen Ausdrucksformen, die von wacher
persönlicher Präsenz bis Ignoranz reichen können, eine entscheidende Rolle.
Den theoretischen Hintergrund für das vorliegende Buch, welches auf
vielfachen Wunsch von Klienten und KollegInnen geschrieben wurde, liefern
zahlreiche Publikationen herausragender Forscher auf dem Gebiet der
Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften, der Neurobiologie und der
systemischen Prozess- und Management-Beratung. Das Territorium, was zu
kartieren war, verbindet holzschnittartig Organisations- und Politikberatung
mit alltagstauglichem Selbst-Management.
Es richtet sich sowohl an psychologisch interessierte LeserInnen als auch an
Menschen, die in Firmen oder Behörden Personalverantwortung tragen so wie an
Führungskräfte und Entscheider in Unternehmen jeder Größenordnung. Es soll
im Kampf gegen Arglosigkeit und Ressourcenverschwendung in Wirtschaft und
Politik, gegen Sprach- und Initiativelosigkeit Hilfestellungen im Umgang mit
Wahrnehmung, Kontakt und Energie bieten, damit alle Beteiligten wieder mehr
in Vertrauen, Sinn, Initiative und Dynamik investieren können.
Bei dem vorliegenden Versuch, mehr Menschlichkeit mit mehr Produktivität zu
verbinden, möchte das Buch neben praktischen Beispielen aus dem Alltag
zahlreicher Unternehmen sowohl kritische Reflexion wie auch
umsetzungsorientierte Handlungsempfehlungen geben, die sich in
zwanzigjähriger systemischer Beratungspraxis bewährt haben.
Die Textfelder, auf die Sie beim Lesen stoßen werden, sollen Sie ermutigen,
mit PartnerInnen, KollegInnen oder Teammitgliedern in Kontakt zu kommen, um
die Kräfte und Energien zu mobilisieren, die für eine verbesserte
Kommunikation mit zwangsläufigen Produktivitätsgewinnen unentbehrlich sind." |